Prof. Dr. Inge Wulf, Professorin für BWL, insb. Unternehmensrechnung an der Technischen Universität Clausthal
(Stand: 25.07.2024)
Die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) fordert von bestimmten Unternehmen die Einhaltung verbindlicher Menschenrechts- und Umweltsorgfaltspflichten in ihren internen Praktiken und in deren vor- und nachgelagerter Lieferkette. So müssen Unternehmen Risiken, also die tatsächlichen und potentiellen negativen Auswirkungen in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt identifizieren, Maßnahmen zur Risikominderung bestimmen und darüber berichten.
Im EU-Gesetzgebungsverfahren waren unterschiedliche Standpunkte von EU-Kommission, EU Parlament und Europäischem Rat offenbar geworden, bevor es erst Mitte März 2024 zu einer Einigung gekommen ist. Schließlich wurde die CSDDD am 05.07.2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Trotz Abschwächungen am Wortlaut der finalen CSDDD gehen die europarechtlichen Anforderungen in Teilen über das deutsche LkSG (Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom 16.6.2021, BGBl. I 2021, 2959) hinaus.
Den folgenden Überblick u.a. zum Anwendungsbereich der CSDDD, zum Erstanwendungszeitpunkt, zur Reichweite der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und Unternehmenshaftung gegenüber Dritten sowie zu Unterschieden zwischen CSDDD und LkSG sollten Sie im Blick haben. Ebenso sollten Sie die Erleichterungen zum deutschen Lieferkettenbericht im Regierungsentwurf zum Umsetzungsgesetz der Corporate Sustainability Reporting Directive kennen.
Inhaltsübersicht
I. Wie waren die Entwicklungsetappen der CSDDD bis zur Annahme von EU-Rat und EU-Parlament?
II. Welche zentralen Unterschiede bestehen zwischen der CSDDD und deutschem LkSG?
I. Wie waren die Entwicklungsetappen der CSDDD bis zur Annahme von EU-Rat und EU-Parlament?
Ausgehend vom Richtlinienvorschlag im Februar 2022 hat es gut zwei Jahre gedauert, bis eine Kompromissfassung erreicht wurde. Die einzelnen Etappen können wie folgt skizziert werden:
- Am 23.2.2022 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vorgelegt.
- Am 1. Dezember 2022 hat der Europäische Rat seine Verhandlungsposition zum Richtlinienvorschlag über die europäische Sorgfaltspflicht gebilligt. Der Rat hat eine eher zurückhaltende Position eingenommen. Daher wurden zahlreiche Kritikpunkte von NGO und Europaabgeordneten laut.
- Schließlich hat am 1.6.2023 das Europäische Parlament seine Verhandlungsposition über die CSDDD festgelegt. Entgegen der Position des Rates hat das Parlament mit großer Mehrheit Verschärfungen gegenüber dem Richtlinienvorschlag beschlossen (eine Zusammenfassung der Unterschiede zwischen den Vorschlägen der EU-Kommission und der Position des EU-Parlaments finden Sie hier).
Die nachfolgende Gegenüberstellung zeigt zentrale Unterschiede zwischen den Vorstellungen von Europäischer Kommission, Europäischem Rat und Parlament:
Europ. Kommission | Europ. Rat | Europ. Parlament | |
Anwendungsbereich: juristische Personen | > 500 Arbeitnehmer in der EU, > 150 Mio. € Umsatz weltweit*; Für Risikosektoren**: > 250 Arbeitnehmer und > 40 Mio. € Umsatz | > 1.000 Arbeitnehmer in der EU, > 300 Mio. € Umsatz weltweit*; Längere Übergangsfristen; Wahlrecht für beaufsichtigte Finanzunternehmen | > 250 Arbeitnehmer in der EU, > 40 Mio. € Umsatz weltweit*; Für Risikosektoren**: > 50 Arbeitnehmer und > 8 Mio. € Umsatz |
Schutzbereich der Sorgfaltspflichten | Verbote und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohende Verstöße gegen ein Verbot von Menschenrechts- und Umweltschutzkodifikationen, zudem Kopplung an das Pariser Klimaabkommen mit Erderwärmung max. 1,5°C | Einschränkung der 22 geschützten Menschenrechte und kleine Erweiterung der 22 geschützten Umweltgüter, zudem Kopplung an das Pariser Klimaabkommen mit Erderwärmung max. 1,5°C | Verschärfungen durch Erweiterung der aufgelisteten geschützten Menschenrechte und Umweltgüter, zudem Kopplung an das Pariser Klimaabkommen mit Erderwärmung max. 1,5°C |
Reichweite der Sorgfaltspflichten | Wertschöpfungskette; Vorgaben gelten gleichermaßen für unmittelbare und mittelbare Lieferanten | Aktivitätenkette mit Ausschluss der Phase der Produktnutzung oder Dienstleistungserbringung | Wertschöpfungskette, jedoch nur mit bestimmten Aktivitäten in der vor- und nachgelagerten Kette |
Anreizsystem in Bezug auf die Sorgfaltspflicht | Nachhaltigkeitsbezogene Vorstandsvergütung | ./. | Verknüpfung der Vorstandsvergütung mit Nachhaltigkeits- und Emissionszielen |
Persönliche Haftung | Zivilrechtliche Haftung | Einschränkung der Haftungsregelung, u.a. Bezug nur auf vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzungen | Zivilrechtliche Haftung mit Änderungen, wie Ausweitung der Haftung auf Verletzungen aller CSDDD-Pflichten; Ergänzung von Verfahrensregelungen |
* Bei Unternehmen aus Drittländern: in der EU erwirtschaftete Umsatz
** Dazu zählen u.a. Textilbranche, Unternehmen in der Landwirtschaft oder Unternehmen, die Bodenschätze abbauen
Am 14.12.2023 haben Europäische Kommission, Europäischer Rat und Europäisches Parlament im Trilog eine vorläufige Einigung über die Inhalte der CSDDD erzielt.
Erst am 15.3.2024 erfolgte die Zustimmung des Europäischen Rats, nachdem die Anforderungen insb. betreffend Anwendungsbereich, abgeschwächt wurden. Die Korrekturen waren nötig, da einige EU-Staaten (auch Deutschland) ihre Zustimmung verweigerten. Schließlich gelang dem belgischen Ratspräsidenten, die Zustimmung von Frankreich und Italien zu erreichen und eine Mehrheit zur Verabschiedung der CSDDD herbeizuführen (Deutschland hat sich enthalten).
Am 19.3.2024 erfolgte die Zustimmung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments zu einem Kompromisstext zur CSDDD. Die förmliche Verabschiedung vom Europäischen Parlament erfolgte am 24.4.2024 und vom EU-Rat am 24.05.2024. Schließlich wurde die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 und der Verordnung (EU) 2023/2859 (RL 2024/1760/EU vom 13.06.2024) am 05.07.2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Richtlinie ist spätestens zum 26. Juli 2026 in nationales Recht der Mitgliedstaaten umzusetzen (Art. 37 Abs. 1 CSDDD). (Zur Umsetzung in Deutschland siehe unten „Wie geht es weiter“).
II. Welche zentralen Unterschiede bestehen zwischen der CSDDD und deutschem LkSG?
Die zentralen Inhalte sind in der folgenden Gegenüberstellung der Anforderungen von CSDDD und LkSG (Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom 16.6.2021; BGBl vom 22.7.2021 Teil I Nr. 46, 2959) zusammengefasst. Zugleich werden die Unterschiede zwischen der CSDDD und dem deutschen LkSG deutlich.
CSDDD | LkSG | |
Anwendungsbereich | Kapitalgesellschaften (AG, GmbH und KGaA) und haftungsbeschränkte Personengesellschaften (z.B. GmbH & Co. KG) mit > 1.000 Beschäftigte und > 450 Mio. € Nettoumsatz sowie analog für Konzernein EU tätige Drittstaaten-Unternehmen mit Nettoumsatz > 450 Mio. € in der EU(Mutter-)Unternehmen hat mit unabhängigen Drittunternehmen Franchise- oder Lizenzvereinbarungen in der EU gegen Lizenzgebühren von > 22,5 Mio. € und Nettoumsatz von > 80 Mio € im letzten Geschäftsjahr (Art. 2 CSDDD) | in Deutschland ansässige Unternehmen, unabhängig von der Rechtsform, mit ≥ 1.000 Arbeitnehmer in der EU (§ 1 Abs. 1 Satz 2 LkSG) |
Stufenweise Erstanwendung | ab 2029: oben genannter Anwendungsbereichab 2027 bzw. 2028: Gesellschaften mit > 5.000 bzw. 3.000 Arbeitnehmer und > 1.500 bzw. 900 Mio. € Nettoumsatz;ab 2027 bzw. 2028: in EU tätige Drittstaaten-Unternehmen mit > 1.500 bzw. 900 Mio. € Nettoumsatz (Art. 2 i.V.m. Art. 37 CSDDD) | seit 2023: Unternehmen mit ≥ 3.000 Arbeitnehmer in der EU;seit 2024: Unternehmen mit ≥ 1.000 Arbeitnehmer in der EU (§ 1 Abs. 1 LkSG) |
Schutzbereich der Sorgfaltspflichten | Menschenrechte und Umwelt (einschl. Biodiversität Artenschutz und Schutz der Ozonschicht); 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens; Übergangsplan zur Minderung der Folgen des Klimawandels, Aufnahme von Zielvorgaben für die Verringerung von Treibhausemissionen, sofern Klimawandel wesentlich für das Unternehmen (Art. 1 CSDDD sowie Anhang Teil I + II, Art. 22) | Menschenrechte und Umweltrechte (ohne: Biodiversität Artenschutz und Schutz der Ozonschicht); (§ 2 LkSG) weder Klimaziele noch Maßnahmen zum Klimaschutz |
Reichweite der Sorgfaltspflichten | Sorgfaltspflichten sind umzusetzen im eigenen Geschäftsbereich (einschl. Tochterunternehmen), bei vorgelagerten Geschäftspartnern (mittelbare und unmittelbare Zulieferer) sowiebei nachgelagerten Geschäftspartnern (Unternehmen, die den Transport, den Vertrieb oder die Lagerung von Produkten für das Unternehmen übernehmen – Entsorgung ist nicht genannt) (Ausnahme: beaufsichtigte Finanzunternehmen nach Erwägungsgrund 26 CSDDD) (Art. 1, 3 Abs. 1 Buchst. g CSDDD) | Sorgfaltspflichten sind umzusetzen im eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber unmittelbaren Zulieferern undgegenüber mittelbaren Zulieferern (nur bei substantiierter Kenntnis und weniger Sorgfaltspflichten) (§ 2 Abs. 5, § 9 LkSG) nur vorgelagerte, keine nachgelagerte Lieferkette; für mittelbare Zulieferer weniger restriktive Anforderungen |
Management, Dokumentation und Berichterstattung in Bezug auf die Sorgfaltspflichten | ||
Sorgfaltspflicht | Hinweis auf Maßnahmen zur Erfüllung der risikobasierten Sorgfaltspflichten gem. Art. 7-16 (Art. 5, 6 CSDDD) | Hinweis auf Beachtung der risikobasierten Sorgfaltspflichten gem. §§ 4-10 LkSG (§ 3 Abs. 2 und 3 LkSG) |
Unternehmenspolitik und Risikomanagement | Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und Risikomanagementsysteme integrieren sowie Sorgfaltspflichten-Richtlinie entwickeln (Konzept erläutern, Grundsatzerklärung [Code of Conduct] implementieren, Prozesse zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten schaffen) (Art. 7 CSDDD) | Einrichtung eines Risikomanagements, Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit, Abgabe einer Grundsatzerklärung (§ 3, 4, 6 LKSG) nicht so umfassende Anforderungen wie CSDDD |
Tatsächliche und potentielle negative Auswirkungen und Risikoanalyse | Identifikation und Bewertung aktueller und potenzieller negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt sowie Priorisierung nach Schwere und Wahrscheinlichkeit (Art. 8, 9 CSDDD) | jährliche und anlassbezogene Durchführung einer Risikoanalyse: Ermittlung, Gewichtung und Priorisierung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken (§ 5 LkSG) |
Präventions- und Abhilfemaßnahmen | Präventions- und Abhilfemaßnahmen sowie jährliche und anlassbezogene Überwachung der Wirksamkeit (Art 10-12 CSDDD) | Verankerung von Präventions- und Ergreifen von Abhilfemaßnahmen; jährliche und anlassbezogene Überprüfung der Wirksamkeit; mittelbare Zulieferer: nur bei substantiierter Kenntnis (§ 6, 7, 9 LkSG) |
Interessenträger | Einbeziehung von Interessenträgern (Art. 13 CSDDD) | Nicht im LkSG vorgesehen |
Meldemechanismus, Beschwerdemanagement | Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (Art. 14 CSDDD) | Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8 LkSG) |
Überwachung | Jährliche Bewertung der eigenen Geschäftstätigkeit und der Maßnahmen wie auch jener ihrer Tochterunternehmen und jener von etwaigen Geschäftspartnern mittels geeigneter Indikatoren zwecks Überwachung der Angemessenheit und Wirksamkeit der Maßnahmen (Art. 15 CSDDD) | Jährliche und anlassbezogene Überprüfung der Wirksamkeit der Präventions-, Abhilfe- und Beschwerdemaßnahmen (§ 6 Abs. 5, § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 5 LkSG) weniger konkrete Anforderungen zudem behördliche Kontrolle durch die BAFA |
Externe Berichterstattung | Jährlicher Bericht, Details zum Bericht sollen bis zum 31.3.2027 per delegierte Rechtsakte geregelt werden (Art. 16 CSDDD) Befreiung, sofern ein Nachhaltigkeitsbericht gem. CSRD erstellt wird (Art. 16 Abs. 2 CSDDD) | Dokumentation und jährlicher Bericht (§ 10 LkSG); Befreiung, sofern ein Nachhaltigkeitsbericht gem. CSRD-UmsG erstellt wird (§ 10 Abs. 5 und 6 LkSG‑E i.d.F. des Regierungsentwurfs zum CSRD-UmsG) |
Strafen | Mitgliedstaaten erlassen die Vorschriften über Sanktionen einschl. Zwangsgelder für Verstöße gegen gem. der CSDDD erlassenen nationalen Vorschriften. Das Höchstmaß der Zwangsgelder beträgt mind. 5% des Jahresumsatzes (netto) (Art. 27 CSDDD) | Besondere Prozessstandschaft für inländische Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen; Zwangsgeld bis zu 50.000 Euro; Bußgeld von bis zu 10 Mio. € oder – bei juristischer Person oder Personenvereinigung mit > 400 Mio. Euro Jahresumsatz – bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes (§§ 11, 23, 24 LkSG) |
Haftung | Zivilrechtliche Haftung bei schuldhafter Verletzung der Sorgfaltspflichten und daraus resultierenden Schaden; keine Haftung, wenn ausschließlich Geschäftspartner der Aktivitätskette den Schaden verursacht haben; Verjährungsfrist: mind. 5 Jahre, jedoch nicht kürzer als die Frist der nationalen zivilrechtlichen Haftung (§ 29 CSDDD) | Keine unmittelbare zivilrechtliche Haftung (§ 3 Abs. 3, § 11 LkSG) |
Die EU-Kommission wird Unternehmen oder Behörden der Mitgliedstaaten – analog zu den LkSG-Handreichungen nach § 20 LkSG durch die BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) – unterstützend Leitlinien zur Verfügung stellen (Art. 19 CSDDD). Weitere Begleitmaßnahmen erfolgen durch die Mitgliedstaaten, die spezielle Websites, Plattformen oder Portale einrichten, um Unternehmen, Geschäftspartner und Interessenträger zu informieren und zu unterstützen (Art. 20 CSDDD). Die Websites, Plattformen oder Portale geben u.a. Zugang zu einem zentralen Helpdesk. Der Helpdesk wird von der EU-Kommission eingerichtet und bietet die Möglichkeit, Informationen, Leitlinien und Unterstützung im Zusammenhang mit der Erfüllung der CSDDD-Verpflichtungen anzufordern (Art. 21 CSDDD).
Auf Bundesebene wurde bereits ein Helpdesk „Wirtschaft & Menschenrechte“ geschaffen. Speziell für KMU existiert ein KMU Kompass, um Lieferketten nachhaltig managen zu können. Außerdem liefert ein Online-Tool zum CSR Risiko-Check Informationen zu relevanten Risiken entlang der Lieferkette und Hinweise zu Abhilfemaßnahmen, um die lokalen Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governancethemen einschätzen zu können.
Insgesamt ist festzustellen, dass der Anwendungsbereich der CSDDD im Gesetzgebungsprozess deutlich abgeschwächt wurde und noch hinter der eher zurückhaltenden Position des EU-Rats zurückbleibt. So finden Unternehmen in Risikosektoren keine spezielle Berücksichtigung mehr, d.h. bspw. Unternehmen der Textilbranche, Unternehmen der Landwirtschaft oder Bodenschätze abbauende Unternehmen müssen die CSDDD nicht mehr allein auf Grund ihrer Branche anwenden, wie in den Vorschlägen von der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament vorgesehen. Vielmehr besteht für diese Risikosektoren ebenso wie für alle anderen Unternehmen nur bei Überschreiten der Größenkriterien (Arbeitnehmerzahl und Umsatz) gem. Art. 2 CSDDD eine Anwendungspflicht. Auch fehlt es an einer anreizbasierten Vergütung mit Blick auf Menschenrechte und Umwelt, wie von EU-Kommission und EU-Parlament vorgeschlagen. Insofern fordert die CSDDD keine menschenrechts- und umweltbezogenen Vergütungssysteme. Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht nach der CSRD erstellen müssen, haben lediglich über das Vorhandensein von nachhaltigkeitsbezogenen Anreizsystemen zu informieren (Art. 19a Abs. 2 Buchst. e Bilanz-RL i.d.F. der CSRD; RL 2013/34/EU vom 26.6.2013, ABl. EU Nr. L 182/19 vom 29.06.2013). Über die Ausgestaltung solcher Vergütungssysteme ist daher nicht verpflichtend zu informieren. Da die CSDDD auf Arbeitnehmerzahl und Umsatz abstellt, ist der Anwendungsbereich enger als im deutschen LkSG gefasst. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Unternehmen, die nicht der CSDDD- bzw. LkSG-Berichtspflicht unterliegen, indirekt als Glied der Wertschöpfungskette ggf. dennoch die Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Die gilt auch für nicht-börsennotierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU).
Der Schutzbereich und die Reichweite der Sorgfaltspflichten der CSDDD sind in Teilen weiter gefasst als die des deutschen LkSG. Dies betrifft bspw. höhere und zudem weiterreichende Anforderungen, z.B. auch nachgelagerte und – anders als nach dem LkSG – ohne Einschränkungen auch unmittelbare Lieferanten. Auch die Regelungen zu Strafgeldern und zur zivilrechtlichen Haftung sind in der CSDDD strenger als im LkSG reguliert. Vergleichbare Vorschriften in CSDDD und LkSG finden sich insb. zum Management in Bezug auf Präventions- und Abhilfemaßnahmen. Aufgrund der bestehenden Unterschiede zwischen den Vorgaben der CSDDD und dem deutschen LkSG wird eine Anpassung des LkSG an die insoweit vorrangige CSDDD notwendig werden (siehe unten „Wie geht es weiter“).
III. Kann der Lieferkettenbericht entfallen, wenn Unternehmen einen EU-Nachhaltigkeitsbericht erstellen?
Während der RegE des CSRD-UmsG, ebenso wie die CSRD (RL 2022/2464/EU vom 14.12.2024; ABl. L 322 v. 16.12.2022, S. 15), primär auf die Berichterstattung der unternehmerischen Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeitsaspekte, d.h. der Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren, zielt, ist die CSDDD deutlich stärker auf das proaktive Handeln und auf die Verbesserung von Unternehmensprozessen gerichtet, damit eine Verletzung von Menschenrechten und Umweltschutzvorschriften vermieden wird. Dennoch gibt es Überschneidungen der CSDDD bzw. des LkSG mit den Vorgaben der CSRD einschl. der zugehörigen ESRS hinsichtlich der Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Menschenrechte und Umwelt. Aus diesen Gründen sieht sowohl Art. 16 Abs. 2 CSDDD als auch § 10 Abs. 5 und 6 LkSG-E i.d.F. des CSRD-UmsG-RegE vor, dass der Lieferkettenbericht entfallen kann, wenn ein CSRD-konformer Nachhaltigkeitsbericht aufgestellt und geprüft worden ist. Die Befreiung betrifft lediglich die Berichterstattung. Alle anderen Vorschriften des LkSG bleiben davon unberührt.
Problematisch sind die unterschiedlichen Erstanwendungszeitpunkte. So müssen
bestimmte große kapitalmarktorientierte Gesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten, die bereits derzeit eine nichtfinanzielle Erklärung zu erstellen haben, ihren ersten europäischen Nachhaltigkeitsbericht für das ab 1.1.2024 beginnende Geschäftsjahr erstellen und in 2025 offenlegen. Während Großunternehmen mit ≥ 1.000 Arbeitnehmer in der EU ebenso ab dem Geschäftsjahr 2024 einen Lieferkettenbericht erstellen müssen, mussten Großunternehmen mit ≥ 3.000 Arbeitnehmer bereits für das Geschäftsjahr 2023 einen Lieferkettenbericht erstellen, der schon 4 Monate nach Geschäftsjahresende auf der Unternehmens-Website zu veröffentlichen war bzw. hätte veröffentlich werden müssen (§ § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. 10 Abs. 2 LkSG), und auch bei der zuständigen Behörde (BAFA, Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) einzureichen war bzw. hätte eingereicht werden müssen (§ 12 Abs. 2 LkSG), d.h. bei kalendergleichem Geschäftsjahr bis zum 30.4.2024. Zur Behebung des Problems sieht der RegE des CSRD-UmsG vor, wie bereits der vorangegangene RefE, dass Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen oder freiwillig erstellen, ebendiesen Bericht anstatt des nach nach § 10 Abs. 2 LkSG offenzulegenden Lieferkettenberichts verwenden können und erst spätestens ein Jahr nach Geschäftsjahresende auf der Internetseite kostenfrei zugänglich machen müssen, sofern sich aus dem Handelsrecht keine kürzere Frist für die Offenlegung ergibt (§ 10 Abs. 5 und 6 LkSG i.d.F. des CSRD-UmsG-RegE).
Auch für die Einreichung des Nachhaltigkeitsberichts (anstatt des Lieferkettenberichts) beim BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) gilt die Frist von einem Jahr, soweit handelsrechtlich keine kürzere Frist für die Offenlegung vorgeschrieben ist (§ 12 Abs. 3 LkSG i.d.F. des CSRD-UmsG-RegE). Abweichend von der Einreichungsfrist nach Abs. 2 (vier Monate für den Lieferkettenbericht) und Abs. 3 (ein Jahr für den ersetzenden Nachhaltigkeitsbericht) des § 12 LkSG ist der Bericht für Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2024 begonnen haben, nicht mehr bis zum 31.12.2024, wie im RefE vorgesehen, sondern bis zum 31.12.2025 verlängert worden, sofern sich aus § 12 Abs. 2 und 3 LkSG kein späterer Zeitpunkt ergibt (§ 12 Abs. 4 LkSG i.d.F. des CSRD-UmsG-RegE). Das BAFA wird zur Entlastung der Unternehmen erstmalig zum Stichtag 1.1.2025 das Vorliegen der Berichte nach dem LkSG sowie deren Veröffentlichung prüfen und keine Sanktionen vornehmen, sofern spätestens zum 31.12.2024 der LkSG-Berichts vorgelegt und veröffentlicht wird (Stand: 29.4.2024). Es ist zu erwarten, dass für Berichte der Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2024 begonnen haben, die Frist zur Einreichung bei der BAFA, analog zum CSRD-UmsG-RegE, bis zum 31.12.2025 verlängert werden könnte.
IV. Wie geht es weiter?
Die CSDDD ist am 5.7.2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden und trat am 20. Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Diese Richtlinie ist spätestens zum 26.7.2026 in nationales Recht der Mitgliedstaaten umzusetzen (Art. 37 Abs. 1 CSDDD). Die Bundesregierung plant noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst 2025, eine 1:1 Umsetzung, indem das LkSG so bürokratiearm wie möglich angepasst wird.
Nach der CSDDD ist eine schrittweise Anwendung ab 2027 und 2028 zunächst mit höheren Schwellenwerten für Arbeitnehmerzahl und zusätzlich für den Umsatz vorgesehen (Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland, 5.7.2024, S. 10). Danach würde die Anzahl der LkSG-anwendungspflichtigen Unternehmen deutlich sinken, die Anforderungen werden jedoch steigen. Einer Senkung des Anwendungsbereichs steht jedoch nicht im Einklang mit Art. 1 Abs. 2 der CSDDD. Dieser Artikel schreibt vor, dass die CSDDD nicht als Rechtfertigung für eine Senkung des in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vorgesehenen Niveaus des Schutzes der Menschenrechte, Beschäftigungs- und sozialen Rechte oder des Umwelt- oder Klimaschutzes dienen darf. In Deutschland liegt mit dem LkSG eine entsprechend Rechtsvorschrift vor. Demnach darf mit Hinweis auf die CSDDD der Schwellenwert für die Arbeitnehmer nicht erhöht und auch kein Schwellenwert für den Umsatz eingeführt werden, da dann – im Vergleich zu den aktuellen Vorgaben des LkSG – weniger Unternehmen unter den Anwendungsbereich fallen würden (vgl. Mittwoch, Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung des Anwendungsbereichs des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bei der Umsetzung der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), Juli 2024). Eine Lösung für eine durchführbare Übernahme der Schwellenwerte der CSDDD bleibt abzuwarten.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
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