III. CSRD-Berichtspflichtige Unternehmen und Folgewirkungen

Prof. Dr. Inge Wulf

1. Direkt betroffene Unternehmen

Die Frage „Wer ist berichtspflichtig?“ zielt zunächst auf die direkt von der CSRD-Berichtspflicht betroffenen Unternehmen. Nach der derzeit geltenden Regelung des § 289b Abs. 1 HGB müssen alle großen, kapitalmarktorientierten Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeiter nichtfinanzielle Informationen veröffentlichen. Gleiches gilt für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 HGB) sowie für kapitalmarktorientierte Muttergesellschaften großer Unternehmensgruppen, die auf konsolidierter Basis mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen (§ 315b HGB). Dies betrifft also jene Unternehmen, die die genannten Größenkriterien erfüllen und entweder Aktien oder Unternehmensanleihen am Kapitalmarkt begeben haben.

Auch Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (§ 340a Abs. 1a HGB, § 341a Abs. 1 HGB) mit jeweils durchschnittlich mehr als 500 Mitarbeitern sind – unabhängig von der Kapitalmarktorientierung – berichtspflichtig. Demnach unterliegen auch Kreditinstitute in der Rechtsform einer Genossenschaft unabhängig von der Kapitalmarktorientierung bei Erfüllung der Größenkriterien einschl. des Kriteriums von mehr als 500 Mitarbeitern der Pflicht, nichtfinanzielle Informationen zu veröffentlichen.

Nach der CSRD wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich ausgeweitet. Da auch die Berichtsanforderungen gestiegen sind, hat sich der europäische Gesetzgeber für eine Erstanwendung in mehreren Schritten entschieden, um erstmals von der Berichtspflicht betroffene Unternehmen nicht zu überfordern. Die folgende Tabelle zeigt im Überblick die schrittweise Erstanwendung (Art. 5 CSRD).

Geschäftsjahr der ErstanwendungGruppe der CSRD-Berichtspflichtige Unternehmen
2024Unternehmen, die derzeit eine nichtfinanzielle Erklärung erstellen müssen (große, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern; analog für Mutterunternehmen, die einen Konzernabschluss erstellen müssen)
2025große Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften gem. § 264a HGB, d.h. Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden Merkmale erfüllen: mehr als 250 Arbeitnehmer, mind. 40 Mio. € Umsatz und mind. 20 Mio. € Bilanzsumme* – unabhängig von der Kapitalmarktorientierung
2025nicht kapitalmarkorientierte Mutterunternehmen großer* Gesellschaften, die einen Konzernabschluss erstellen
2026große* oder (kleine und mittlere) kapitalmarktorientierte konzerneigene (Rück-)Versicherungsunternehmen i.S.d. Solvabilitäts-RL 2009/138/EG (Ausnahme: Kleinstunternehmen)
2026kleine* und nicht komplexe Institute i.S.d. Kapitaladäquanz-VO 575/2013/EU, sofern es sich um große* oder kleine und mittlere Unternehmen handelt, die kapitalmarktorientiert sind (Ausnahme: Kleinstunternehmen)
2026kapitalmarktorientierte KMU* (Ausnahme: Kleinstunternehmen) sowie kleine* und nicht komplexe Institute i.S.d. Kapitaladäquanz-VO 575/2013/EU, firmeneigene Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen i.S.d. Solvabilitäts-RL 2009/138/EG, sofern die Bilanz-RL zu beachten ist.
2028kapitalmarktorientierte KMU*, die die Möglichkeit nutzen, die Erstanwendung um zwei Jahre zu verschieben (Wahlrecht nach Art. 19 Abs. 7 Bilanz-RL n.F.).
2028Nicht-EU-Mutterunternehmen (sog. Drittlandunternehmen), sofern in den letzten beiden Jahren einen Nettoumsatz von >150 Mio. € in der EU aufweisen und mindestens ein in der EU niedergelassenes großes* Tochterunternehmen (TU) bzw. ein kleines* oder mittelgroßes* börsenorientiertes TU haben. Die Berichtspflicht für ein Drittlandunternehmen greift auch, wenn dieses mindestens eine EU- Zweigniederlassung mit >40 Mio. € Nettoumsatzerlös besitzt (Art. 40a Bilanz-RL n.F.).

*Die monetären Schwellenwerte Bilanzsumme und Umsatz werden um ca. 25% mit Wirkung für Geschäftsjahre ab 2024 angehoben (Delegierte Richtlinie (C(2023)7020) v. 17.10.2023. Diesbezüglich hat des Bundesministerium für Justiz (BMJ) am 22.12.2023 einen Vorschlag zur Änderung der §§ 267, 267a und 293 HGB sowie des EGHGB veröffentlicht.)

Abbildung 2: Überblick über die schrittweise CSRD-Erstanwendung

Die in der Tabelle genannten Jahre beziehen sich stets auf das Geschäftsjahr, nicht auf das Jahr der Offenlegung. In aller Regel erfolgt die Offenlegung in dem Jahr, das dem Geschäftsjahr folgt. So müssen große Kapitalgesellschaften erstmals für das Geschäftsjahr 2025 einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, der in 2026 offenzulegen ist.

Tochterunternehmen brauchen keinen EU-Nachhaltigkeitsbericht erstellen, sofern eine Einbeziehung in einen richtlinienkonformen Konzernlagebericht des Mutterunternehmens erfolgt und ein Nachhaltigkeitsbericht offengelegt wird (Art. 19a Abs. 8 Unterabs. 1 Bilanz-RL i.d.F. der CSRD). Die Befreiung greift jedoch nicht für ein börsennotiertes Tochterunternehmen.

Ebenso ist ein Tochterunternehmen, das in den Konzernlagebericht des Mutterunternehmens mit Sitz in einem Drittland einbezogen ist, von der neuen Berichtspflicht befreit, sofern das Mutterunternehmen einen konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht entsprechend der Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) nach Art. 29b Bilanz-RL i.d.F. der CSRD erstellt oder der befreiende Nachhaltigkeitsbericht in einer diesen EU-Standards gleichwertigen Weise erstellt wird (Art. 19a Abs. 8 Unterabs. 1 Bilanz-RL i.d.F. der CSRD).

Im Falle einer Befreiung muss das Tochterunternehmen in seinem eigenen Lagebericht die folgenden Angaben offenlegen (Art. 19a Abs. 8 Unterabs. 2 Bilanz-RL i.d.F. der CSRD):

  • Name und Sitz des Mutterunternehmens (das die konsolidierten Informationen veröffentlicht);
  • Internetlinks zum konsolidierten Lagebericht;
  • den Hinweis, dass es befreit ist.

Beispiel: Die im betrachteten Geschäftsjahr neu gegründete U AG hat im Jahresdurchschnitt 530 Mitarbeiter beschäftigt, zeigt in der GuV einen Umsatz in Höhe von 45 Mio. Euro und in der Bilanz ein Gesamtvermögen in Höhe von 17 Mio. Euro.

a)   Muss die U AG nach derzeit geltenden Vorschriften eine nichtfinanzielle Erklärung erstellen?

b)   Ab welchem Geschäftsjahr ist die U AG verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen?

c)   Abweichend vom obigen Beispiel ist das Unternehmen kapitalmarktorientiert, die Mitarbeiterzahl beträgt im Jahresdurchschnitt 250 und die Bilanzsumme beträgt 21 Mio. Euro.
ca) Muss das Unternehmen nach derzeit geltenden Vorschriften eine nichtfinanzielle Erklärung erstellen?
cb) Ab welchem Geschäftsjahr ist die U AG verpflichtet einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen?

d)   Unter welchen Bedingungen ist die U AG von der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts befreit?

Lösung:

Zu a):  Nein, da die U AG nicht kapitalmarktorientiert ist.

Zu b):  Ein Nachhaltigkeitsbericht ist ab dem Geschäftsjahr 2025 zu erstellen, der im Jahr 2026 offenzulegen ist.

Zu c):  ca) Nein, da die Mitarbeiterzahl von 500 deutlich unterschritten ist
cb) Ebenso wie b) ist ein Nachhaltigkeitsbericht ab dem Geschäftsjahr 2025 zu erstellen, der im Jahr 2026 offenzulegen ist.

Zu d):  Eine Befreiung kann in Anspruch genommen werden, wenn die U AG ein Tochterunternehmen eines berichtspflichtigen Mutterunternehmens ist und eine Einbeziehung in den Konzernlagebericht erfolgt.

Die Absenkung der Arbeitnehmerzahl von größer 500 auf – übereinstimmend mit den klassischen Größenkriterien des § 267 HGB – größer 250 wie auch der Einbezug aller großen Unternehmen, unabhängig von der Kapitalmarktorientierung, führt EU-weit etwa zu einer Vervierfachung der berichtspflichtigen Unternehmen von 11.600 auf knapp 50.000 Unternehmen (DRSC, CSR-Studie. Abschlussbericht zur vom BMJV beauftragten Horizontalstudie sowie zu Handlungsempfehlungen für die Überarbeitung der CSR-Richtlinie, Januar 2021, 10). Von der Ausweitung des Anwenderkreises werden deutsche Unternehmen vergleichsweise stark betroffen sein. So wird Schätzungen einer DRSC-Studie zufolge die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland um das 30fache von derzeit etwa 500 auf zukünftig etwa 15 000 ansteigen (DRSC, CSR-Studie. Abschlussbericht zur vom BMJV beauftragten Horizontalstudie sowie zu Handlungsempfehlungen für die Überarbeitung der CSR-Richtlinie, Januar 2021, 90).

Die anstehende inflationsinduzierte Anpassung der Schwellenwerte für die beiden monetären Größenmerkmale Bilanzsumme und Umsatzerlöse hat Auswirkungen auf den Anwendungsbereich der CSRD, insb. für große Kapitalgesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 3 HGB (analog für § 293 HGB betreffend Konzernrechnungslegung). Die etwa 25%ige Anhebung der Schwellenwerte hat zur Folge, dass Unternehmen von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgenommen sind, die zuvor bei Beachtung der bisherigen Schellenwerte unter die Berichtspflicht der CSRD gefallen sind. Auf Ebene der EU wird dies gut 10.000 große Unternehmen betreffen; dies bedeutet eine Reduzierung um ca. 14% (Delegierte Richtlinie (C(2023)7020) v. 17.10.2023, S. 5). Die Umsetzung in nationales Recht hat innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten zu erfolgen.

2. Folgewirkungen

a) Indirekt betroffene Unternehmen

Zusätzlich zu den direkt betroffenen Unternehmen kommen indirekt bzw. mittelbar von der Berichtspflicht betroffene Unternehmen hinzu. So werden durch die Ausweitung des Anwenderkreises auch auf nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen großer Gesellschaften mehr Konzernunternehmen, auch KMU, indirekt von der Berichtspflicht betroffen sein. Liegt ein Tochterunternehmen vor, braucht kein Nachhaltigkeitsbericht offengelegt werden (siehe Kapitel III.1). Die Tochterunternehmen müssen jedoch die nachhaltigkeitsbezogenen Informationen – sofern aus Konzernsicht wesentlich – an das Mutterunternehmen liefern, damit die Informationen in den konsolidierten Nachhaltigkeitsbericht aufgenommen werden. Die Berichtspflicht an das Mutterunternehmen gilt für einbeziehungspflichtige Tochterunternehmen unabhängig davon, ob die Befreiungsmöglichkeit des Art. 19a Abs. 8 Unterabs. 1 Bilanz-RL i.d.F. der CSRD in Anspruch genommen wurde.

Hinzu kommt, dass die Berichtsgrenze der Nachhaltigkeitsberichterstattung weiter gefasst ist als bei einem Konzernabschluss, der sich auf die Konzernunternehmen beschränkt. Die Grenzen der Nachhaltigkeitsberichterstattung erstrecken sich auf die eigene Geschäftstätigkeit des Unternehmens und auch auf die Wertschöpfungskette einschl. Angaben zu den Produkten und Dienstleistungen des Unternehmens, seinen Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette. Dazu zählen bspw. Nachhaltigkeitsrisiken aus der Tätigkeit vor- und nachgelagerter Unternehmen. Berichtspflichtige Unternehmen sind somit auf die Unterstützung von Unternehmen der Wertschöpfungskette angewiesen, um die erforderlichen Informationen erheben zu können. Dies betrifft auch KMU, die nicht direkt von den Berichtspflichten betroffen sind. Unternehmen sind, unabhängig von der CSRD-Berichtspflicht, als Kreditnehmer auch ein Glied der Wertschöpfungskette von Banken, die die CSRD-Berichtspflichten erfüllen müssen. Insofern benötigen Banken Nachhaltigkeitsinformationen von ihren Kunden für die Umsetzung ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie und für ihr Risikomanagement. Angaben zur Wertschöpfungskette können lediglich in den ersten drei Jahren unterbleiben, sofern die erforderlichen Informationen nicht verfügbar sind (Art. 19a Abs. 3 Unterabs. 2 Bilanz-RL i.d.F. der CSRD). Zudem sind die von Banken finanzierten Investitionen entsprechend der Offenlegungs-Verordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFRD, Verordnung 2019/2088/EU vom 27.11.2019) hinsichtlich Nachhaltigkeitsrisiken zu prüfen. Die Angaben zur Wertschöpfungskette stehen in Zusammenhang mit den Vorgaben des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG, Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom 16.6.2021; BGBl vom 22.7.2021 Teil I Nr. 46, 2959) und der vorgeschlagenen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD).

Eine Betroffenheit, wenngleich nicht verpflichtend, kann auch entstehen, wenn Stakeholder des Unternehmens eine Nachhaltigkeitsberichterstattung einfordern. Anders ausgedrückt: eine Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft Vertrauen bei Stakeholdern und führt zu einer Erhöhung der Reputation von Unternehmen. Insofern kann die Nachhaltigkeitsberichterstattung einen Wettbewerbsvorteil schaffen.

b) Weitere Berichtspflichten

Alle Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen haben, müssen auch die Vorgaben der EU-Taxonomie-Verordnung (Verordnung 2020/852/EU vom 18.06.2020) befolgen. Die Taxonomie-VO legt fest, welche Tätigkeiten nachhaltig sind. Unternehmen müssen diesbezügliche Angaben machen, insb. den Anteil des Umsatzes, der sich auf „grüne“ Produkte/Dienstleistungen bezieht und ebenso den Anteil der „grünen“ Investitions- und Betriebsausgaben (sog. drei grüne Kennzahlen) ausweisen. Banken müssen angeben, inwieweit die vergebenen Kredite zur CSR-verträglichen Finanzierung beitragen. Daher brauchen sie Angaben von den Kreditnehmern, in was investiert wird und wie sich z.B. der CO2-Fußabdruck darstellt. Daher sind Banken quasi doppelt von den Berichtspflichten betroffen: zum einen von der Pflicht zum Ausweis des bankeneigenen CO2-Fußabdrucks (sog. ESG-Fußabdruck, der eher gering sein dürfte) und zum anderen von der Pflicht zum Ausweis des CO2-Fußabdrucks ihrer Finanzprodukte, insb. finanzierte Investitionen ihrer Kunden (sog. sustainable finance-Fußabdruck). Damit steigt der Kreis der Unternehmen, die gem. Art. 8 der EU-Taxonomie-VO die drei grünen Kennzahlen erheben müssen.

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